Schweizer Magazin für psychische Gesundheit
NOTFALL 143

Anlaufstellen bei psychischen Belastungen

In der Schweiz gibt es zahlreiche niederschwellige Angebote für Menschen in psychischen Krisen. Von der anonymen Telefonberatung bis zu kantonalen Fachstellen: ein Überblick.

Der erste Schritt, sich Hilfe zu holen, kostet oft Überwindung. Viele fragen sich: An wen soll ich mich wenden? Muss ich gleich einen Therapeuten aufsuchen? Was, wenn ich nicht weiss, ob meine Belastung «schlimm genug» ist? Die gute Nachricht: In der Schweiz gibt es ein dichtes Netz an Anlaufstellen, die niederschwellig, oft anonym und kostenlos beraten. Diese erste Kontaktaufnahme kann helfen, die Situation einzuordnen und weitere Schritte zu planen.

Telefonberatung und Online-Hilfe

Die Dargebotene Hand: 143

143: Dargebotene Hand

Telefon: 143 (24 Stunden, 365 Tage, aus ganz CH)

Chat & Mail: www.143.ch

Kosten: Anrufe sind kostenlos (Festnetz und Mobilfunk)

Die Dargebotene Hand ist die bekannteste Krisenhotline der Schweiz. Rund um die Uhr, an jedem Tag des Jahres, sind ausgebildete Freiwillige erreichbar. Das Angebot ist anonym, vertraulich und kostenlos. Es richtet sich an alle Menschen in Belastungs- und Krisensituationen, unabhängig von Alter, Herkunft oder Art der Problematik.

Wann anrufen? Die 143 ist keine «letzte Rettung», sondern eine niederschwellige Anlaufstelle. Man muss keine akute Suizidgefahr haben, um anzurufen. Auch bei Einsamkeit, Überforderung, Zukunftsängsten oder Stress im Alltag kann ein Gespräch helfen. Die Berater hören zu, ordnen mit Ihnen die Situation ein und können bei Bedarf weitere Fachstellen empfehlen.

Was passiert im Gespräch? Es gibt keine Vorgaben. Manche Menschen rufen an, um einfach jemandem ihre Sorgen zu erzählen. Andere suchen konkrete Informationen zu weiteren Hilfsangeboten. Die Berater stellen Fragen, geben aber keine Ratschläge im klassischen Sinn. Das Ziel ist, dass Sie selbst zu einer Einschätzung kommen und Ihre nächsten Schritte planen können.

Neben dem Telefon bietet die Dargebotene Hand auch Chat- und Mailberatung an. Gerade für jüngere Menschen oder solche, die lieber schreiben als sprechen, ist dies eine gute Alternative.

Pro Juventute: 147

147: Beratung für Kinder und Jugendliche

Telefon & SMS: 147 (24/7, kostenlos, anonym)

Chat: www.147.ch

Zielgruppe: Kinder und Jugendliche bis 25 Jahre

Pro Juventute betreibt die Nummer 147 speziell für Kinder und Jugendliche. Auch hier gilt: anonym, kostenlos, rund um die Uhr. Themen können Stress in der Schule, Mobbing, familiäre Konflikte, Liebeskummer, psychische Belastungen oder Suizidgedanken sein.

Neben Telefon und SMS gibt es eine Chat-Funktion auf der Website. Besonders für Jugendliche, die sich scheuen, am Telefon zu sprechen, ist das eine gute Option. Pro Juventute kann bei Bedarf auch regionale Fachstellen vermitteln oder bei administrativen Fragen (etwa: Wo finde ich einen Therapeuten?) weiterhelfen.

Kantonale Beratungsstellen

In allen Kantonen gibt es psychosoziale Beratungsstellen, die niederschwellige Beratung anbieten. Diese sind oft bei den Kantonsärztlichen Diensten, bei Gesundheitsligen oder bei sozialen Institutionen angesiedelt. Die Angebote sind sehr unterschiedlich organisiert, deshalb lohnt sich eine Recherche im jeweiligen Kanton.

Wo finde ich kantonale Beratungsstellen?

  • Gesundheitsdirektion des Kantons: Auf der Website Ihres Kantons finden sich meist Adressen unter «Gesundheit» oder «Soziales».
  • Pro Mente Sana: Die Schweizer Stiftung für psychische Gesundheit führt eine Datenbank mit Beratungsangeboten: www.promentesana.ch
  • Gemeinde oder Sozialdienst: Auch die kommunale Sozialberatung kann erste Anlaufstelle sein und weiterverweisen.

Viele Kantone bieten kostenlose Erstberatungen an. Diese dauern meist 1–3 Sitzungen und dienen der Einschätzung der Situation. Danach wird entschieden, ob eine ambulante Therapie, eine Selbsthilfegruppe oder andere Angebote sinnvoll sind.

Universitäre psychiatrische Kliniken und Ambulatorien

Die universitären psychiatrischen Dienste (UPD Bern, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, etc.) betreiben Ambulatorien, in denen man sich auch ohne Überweisung melden kann. Diese Ambulatorien bieten diagnostische Abklärungen, Kriseninterventionen und ambulante Behandlungen an.

Wichtig: Wartezeiten können mehrere Wochen betragen. Wer akut gefährdet ist, sollte sich an die Notfallstation der Psychiatrie wenden (siehe unten). Für nicht akute Fälle sind Ambulatorien eine gute Option, besonders wenn man nicht sicher ist, welche Art von Hilfe man braucht. Die interdisziplinären Teams können eine fundierte Einschätzung geben.

Psychologische Beratungsstellen

Neben den kantonalen Angeboten gibt es private und gemeinnützige Beratungsstellen. Beispiele sind:

  • Fachstellen für Suchtfragen: Bei Substanzkonsum oder Verhaltenssüchten
  • Familienberatungsstellen: Bei Konflikten in Familie oder Partnerschaft
  • Beratungsstellen für Frauen/Männer: Geschlechtsspezifische Angebote, etwa bei häuslicher Gewalt
  • LGBTQ-Beratungsstellen: Peer-Beratung und Unterstützung für queere Menschen

Diese Angebote sind in der Regel kostenlos oder gegen einen kleinen Unkostenbeitrag verfügbar. Sie sind keine Therapie im engeren Sinn, können aber klären, ob eine solche notwendig ist, und bei der Suche helfen.

Gesundheitsligen und Fachorganisationen

Pro Mente Sana

Die Stiftung Pro Mente Sana setzt sich für die Rechte und die Anliegen von Menschen mit psychischen Erkrankungen ein. Sie bietet eine telefonische Rechtsberatung an (vor allem bei Fragen zu Invalidenversicherung, Patientenrechten, Fürsorgerischen Unterbringungen) und vermittelt Angebote in der ganzen Schweiz.

Tel: 0848 800 858 (Mo–Fr, 9–12 Uhr und 14–17 Uhr)
Web: www.promentesana.ch

Schweizerische Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD)

Die SGAD bietet Informationen, Selbsthilfegruppen und Veranstaltungen für Menschen mit Angst- und Depressionsstörungen. Auf der Website findet sich auch eine Therapeutenliste.

Web: www.sgad.ch

Equilibrium: Verein zur Bewältigung von Depressionen

Equilibrium organisiert Selbsthilfegruppen und bietet eine Peer-to-Peer-Beratung (Betroffene beraten Betroffene). Die Organisation ist in mehreren Kantonen aktiv.

Web: www.equilibrium.ch

Online-Beratungsangebote

Neben telefonischer Beratung gibt es zunehmend auch rein digitale Angebote. Beispiele:

  • dureschnufe.ch: Ein Online-Programm für Jugendliche und junge Erwachsene mit Angst, Depression oder Stress. Kostenlos, anonym, evidenzbasiert.
  • ifightdepression.com: Ein angeleitetes Online-Selbsthilfeprogramm bei leichten bis mittelschweren Depressionen. Wird über Hausärzte oder Psychologen freigeschaltet.
  • helpy.ch: Chatbot-gestützte psychologische Erstberatung. Kein Ersatz für Therapie, aber für erste Orientierung geeignet.

Diese Tools ersetzen keine professionelle Behandlung, können aber als Ergänzung oder Überbrückung während Wartezeiten dienen.

Psychiatrische Notfalldienste

Bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung, schweren psychotischen Symptomen oder massiven Angst- und Panikzuständen sollten Sie sich an einen psychiatrischen Notfalldienst wenden.

  • Psychiatrische Notfallstationen: Jede grössere psychiatrische Klinik hat eine Notfallstation, die rund um die Uhr geöffnet ist. Eine Überweisung ist nicht nötig.
  • Sanität (144): Bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung können Sie den Rettungsdienst rufen.
  • Polizei (117): Auch die Polizei kann in psychiatrischen Notfällen helfen und den Transport in eine Klinik organisieren.

Der Gang in die Notfallstation ist keine Übertreibung, wenn Sie das Gefühl haben, sich oder andere nicht mehr schützen zu können. Dort wird abgeklärt, ob eine stationäre Aufnahme nötig ist oder ob ambulante Massnahmen ausreichen.

Das Wichtigste im Überblick

  • Die Dargebotene Hand (143) und Pro Juventute (147) sind rund um die Uhr kostenlos und anonym erreichbar.
  • Kantonale Beratungsstellen bieten oft kostenlose Erstberatungen an. Recherchieren Sie unter «Gesundheit» auf Ihrer Kantonswebsite.
  • Universitäre Ambulatorien und psychosoziale Beratungsstellen können bei der Einschätzung helfen, welche Hilfe Sie brauchen.
  • Gesundheitsligen wie Pro Mente Sana, Equilibrium oder die SGAD bieten Informationen, Rechtsberatung und Selbsthilfegruppen.
  • Online-Angebote (dureschnufe.ch, ifightdepression.com) können als Überbrückung oder Ergänzung dienen.
  • Bei akuter Gefährdung: Psychiatrische Notfallstation oder Sanität (144) kontaktieren.

Der erste Schritt zählt

Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Manche Menschen beginnen mit einem anonymen Anruf bei der 143, andere wenden sich direkt an den Hausarzt, wieder andere nehmen zuerst Kontakt zu einer kantonalen Beratungsstelle auf. Entscheidend ist, überhaupt den ersten Schritt zu machen.

Keine Belastung ist «zu klein», um Hilfe zu suchen. Die niederschwelligen Angebote sind genau dafür da: um einzuschätzen, was Sie brauchen, und um gemeinsam mit Ihnen den passenden Weg zu finden. Oft reicht schon ein Gespräch, um zu merken, dass man nicht allein ist, und dass es Lösungen gibt.