Anlaufstellen Schweiz
Von der Dargebotenen Hand bis zu kantonalen Beratungsstellen: Ein Überblick über Hilfsangebote in der Schweiz.
Artikel lesenWas zahlt die Grundversicherung? Wie funktioniert das neue Anordnungsmodell seit 2023? Und was, wenn ich mir eine Therapie nicht leisten kann? Ein Überblick zu Kosten und Versicherung.
Die Frage nach den Kosten einer Psychotherapie verunsichert viele Menschen. Muss ich das selbst bezahlen? Brauche ich eine Überweisung? Wie viele Sitzungen werden übernommen? Die gute Nachricht vorweg: Psychotherapie wird in der Schweiz von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Grundversicherung) übernommen – allerdings mit bestimmten Bedingungen, die sich 2023 geändert haben.
Seit Juli 2023 können psychologische Psychotherapeuten im Anordnungsmodell über die Grundversicherung abrechnen. Das bedeutet: Eine ärztliche Anordnung (keine volle Überweisung) genügt, damit Psychologen direkt mit der Krankenkasse abrechnen können. Zuvor war dies nur bei Psychiatern oder im Delegationsmodell möglich.
Psychiater sind Ärzte. Ihre Leistungen werden vollständig von der Grundversicherung übernommen – abzüglich Franchise und Selbstbehalt (dazu später mehr). Sie brauchen keine Überweisung, um einen Psychiater aufzusuchen. Sie können direkt einen Termin vereinbaren.
Die Grundversicherung übernimmt sowohl Gespräche (Psychotherapie) als auch medikamentöse Behandlungen. Es gibt keine Begrenzung der Sitzungsanzahl, solange die Behandlung medizinisch notwendig ist.
Psychologen mit einem eidgenössisch anerkannten Weiterbildungstitel in Psychotherapie können seit Juli 2023 im Anordnungsmodell tätig sein. Das bedeutet:
Wichtig: Nicht alle Psychologen arbeiten im Anordnungsmodell. Manche sind weiterhin selbständig tätig und rechnen privat ab (dann zahlen Sie selbst oder über eine Zusatzversicherung). Fragen Sie im Erstgespräch explizit nach, ob die Abrechnung über die Grundversicherung möglich ist.
Vor 2023 war delegierte Psychotherapie der Hauptweg, um als Psychologe über die Grundversicherung abzurechnen. Dabei arbeitet der Psychologe in einer Praxis unter der Leitung eines Psychiaters. Der Psychiater trägt die medizinische Verantwortung und delegiert die Therapie an den Psychologen.
Dieses Modell existiert weiterhin, wird aber zunehmend vom Anordnungsmodell abgelöst. Der Vorteil: Sie brauchen keine zusätzliche ärztliche Anordnung, da der Psychiater in der Praxis die Verantwortung übernimmt.
Die ärztliche Anordnung ist kein komplizierter Prozess. So läuft es ab:
Kosten der Anordnung: Der Arztbesuch zur Ausstellung der Anordnung wird ebenfalls von der Grundversicherung übernommen (abzüglich Franchise und Selbstbehalt). Es entstehen also keine zusätzlichen Kosten.
Auch wenn die Grundversicherung die Therapie übernimmt, müssen Sie einen Teil der Kosten selbst tragen. Das sind:
Die Franchise ist der Betrag, den Sie pro Kalenderjahr selbst bezahlen, bevor die Krankenkasse etwas übernimmt. Die ordentliche Franchise beträgt CHF 300 (für Erwachsene). Sie können aber auch eine höhere Franchise wählen (bis CHF 2'500), um Prämien zu sparen.
Sobald Ihre jährlichen Gesundheitskosten die Franchise übersteigen, greift die Kostenübernahme der Krankenkasse.
Nach der Franchise zahlen Sie zusätzlich einen Selbstbehalt von 10% der Kosten – maximal aber CHF 700 pro Jahr (für Erwachsene). Bei Kindern ist der Selbstbehalt auf CHF 350 begrenzt.
Angenommen, Sie haben die ordentliche Franchise von CHF 300 und besuchen 20 Therapiesitzungen à CHF 180 (Durchschnittstarif).
Wichtig: Sobald Sie in einem Jahr mehr als CHF 1'000 an Gesundheitskosten haben (Franchise + maximaler Selbstbehalt), zahlen Sie nichts mehr dazu. Danach übernimmt die Kasse 100%.
Im Anordnungsmodell sind zunächst 40 Sitzungen bewilligt. Nach diesen 40 Sitzungen kann der anordnende Arzt eine Verlängerung ausstellen, wenn die Therapie weiterhin medizinisch notwendig ist. Eine Obergrenze gibt es grundsätzlich nicht, solange die Behandlung begründet ist.
Bei Psychiatern gibt es keine zahlenmässige Begrenzung von vornherein. Die Krankenkasse kann aber bei sehr langen Therapien eine Kostengutsprache verlangen.
Viele Zusatzversicherungen decken Leistungen, die über die Grundversicherung hinausgehen. Das kann sein:
Prüfen Sie Ihre Versicherungspolice oder fragen Sie direkt bei Ihrer Krankenkasse nach, was Ihre Zusatzversicherung abdeckt. Beachten Sie: Zusatzversicherungen sind private Verträge. Wenn Sie eine bestehende psychische Erkrankung haben, kann es schwierig sein, nachträglich eine Zusatzversicherung abzuschliessen (Vorbehalte oder Ablehnung).
Manche Menschen entscheiden sich bewusst dafür, die Therapie selbst zu bezahlen, etwa um:
Die Kosten für eine Therapiesitzung liegen in der Regel zwischen CHF 150 und CHF 220. Eine wöchentliche Therapie kostet somit zwischen CHF 600 und CHF 880 pro Monat.
Wichtig: Wenn Sie selbst zahlen, können Sie die Kosten unter Umständen von den Steuern abziehen (Krankheitskosten). Bewahren Sie alle Belege auf.
Wenn die Franchise und der Selbstbehalt für Sie zu hoch sind, gibt es mehrere Möglichkeiten:
Wenn Sie in finanziellen Schwierigkeiten sind, kann der Sozialdienst Ihrer Gemeinde Krankheitskosten übernehmen. Wenden Sie sich an die Sozialberatung und legen Sie Ihre Situation dar.
Viele Kantone bieten kostenlose oder stark vergünstigte psychologische Beratung an. Diese ist zwar keine Langzeittherapie, kann aber als Überbrückung oder für akute Krisen dienen.
Universitätskliniken bieten Therapien an, die oft günstiger sind (oder nach Einkommen gestaffelt). Therapeuten in Ausbildung arbeiten dort unter Supervision.
Bei Unklarheiten zur Kostenübernahme oder bei Streitigkeiten mit der Krankenkasse hilft die Rechtsberatung von Pro Mente Sana weiter (Tel. 0848 800 858).
Wenn Ihr Einkommen tief ist, haben Sie möglicherweise Anspruch auf kantonale Prämienverbilligung. Informieren Sie sich bei Ihrer Gemeinde.
Psychische Gesundheit ist keine Luxusfrage. Wenn Sie Hilfe brauchen, gibt es Wege, auch bei knappen finanziellen Mitteln Unterstützung zu bekommen. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt, einer Beratungsstelle oder dem Sozialdienst. Es gibt Lösungen.
Auch Online-Therapie (Videosprechstunden) wird von der Grundversicherung übernommen, wenn der Therapeut im Anordnungsmodell arbeitet oder Psychiater ist. Die Abrechnung erfolgt gleich wie bei Präsenzsitzungen. Voraussetzung ist, dass der Therapeut eine Bewilligung für Telepsychologie hat.
Manche private Anbieter (etwa Plattformen wie MindDoc, Aepsy) rechnen nicht über die Grundversicherung ab, sondern nur über Zusatzversicherungen oder als Selbstzahler. Klären Sie dies vor Therapiebeginn.
Die Kostenübernahme durch die Grundversicherung bedeutet, dass psychotherapeutische Hilfe in der Schweiz grundsätzlich für alle zugänglich ist. Das neue Anordnungsmodell hat den Zugang zu Psychologen vereinfacht. Trotzdem bleiben Franchise und Selbstbehalt Hürden für Menschen mit knappem Budget.
Wenn Sie sich fragen, ob Sie sich eine Therapie leisten können: Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt, einer Beratungsstelle oder direkt mit dem Therapeuten. Oft lassen sich Lösungen finden. Ihre psychische Gesundheit ist es wert, diesen Schritt zu gehen.