Anlaufstellen Schweiz
Von der Dargebotenen Hand bis zu kantonalen Beratungsstellen: Ein Überblick über Hilfsangebote in der Schweiz.
Artikel lesenPsychologe, Psychiater, Psychotherapeut: Wer macht was? Wie suche ich eine geeignete Fachperson, und was erwartet mich beim ersten Termin? Ein praktischer Leitfaden.
Die Entscheidung, eine Therapie zu beginnen, ist oft schon ein grosser Schritt. Doch dann stellt sich die Frage: Wen soll ich kontaktieren? Die Begriffe «Psychologe», «Psychiater» und «Psychotherapeut» werden im Alltag oft synonym verwendet, bezeichnen aber unterschiedliche Berufsgruppen mit unterschiedlichen Qualifikationen. In diesem Artikel klären wir die Unterschiede, erklären, wo und wie Sie suchen können, und geben Tipps für das erste Gespräch.
| Berufsbezeichnung | Ausbildung | Leistungen | Kostenübernahme |
|---|---|---|---|
| Psychiater/in | Medizinstudium + Facharztausbildung Psychiatrie und Psychotherapie | Diagnostik, Psychotherapie, Medikamente verschreiben, Klinikeinweisung | Grundversicherung deckt alles (keine Überweisung nötig) |
| Psychologe/in FSP | Psychologiestudium (Master) + postgraduale Weiterbildung in Psychotherapie | Diagnostik, Psychotherapie (keine Medikamente) | Grundversicherung seit 2023 mit ärztlicher Anordnung |
| Psychotherapeut/in | Unterschiedlich: kann Psychologe, Psychiater oder andere Grundausbildung sein + psychotherapeutische Weiterbildung | Psychotherapie (abhängig von Grundberuf und Weiterbildung) | Abhängig von Qualifikation und Abrechnungsmodell |
Psychiater sind Ärzte. Sie haben ein Medizinstudium absolviert und anschliessend eine mehrjährige Facharztausbildung in Psychiatrie und Psychotherapie gemacht. Sie dürfen Medikamente verschreiben, Diagnosen stellen und auch psychotherapeutisch arbeiten. Psychiater sind die einzigen, die bei Bedarf mit Psychopharmaka (Antidepressiva, Neuroleptika, Stimmungsstabilisatoren) behandeln können.
Wann zum Psychiater? Wenn eine medikamentöse Behandlung notwendig oder sinnvoll ist, etwa bei mittelschweren bis schweren Depressionen, bipolaren Störungen, Schizophrenie oder schweren Angststörungen. Auch wenn Sie unsicher sind, ob eine organische Ursache hinter Ihren Symptomen steckt, ist der Psychiater die richtige Anlaufstelle.
Psychologen haben ein universitäres Psychologiestudium (Master) abgeschlossen. Um psychotherapeutisch tätig zu sein, brauchen sie zusätzlich eine postgraduale Weiterbildung in einem anerkannten Psychotherapieverfahren. Psychologen mit dem Titel «Fachpsychologe/Fachpsychologin für Psychotherapie FSP» haben diese Weiterbildung absolviert.
Psychologen dürfen keine Medikamente verschreiben. Ihr Fokus liegt auf Gesprächs- und Verhaltenstherapie, kognitiven Techniken, systemischen Ansätzen oder anderen psychotherapeutischen Methoden.
Wann zum Psychologen? Wenn Sie primär an psychotherapeutischen Gesprächen interessiert sind und keine Medikamente wünschen oder benötigen. Psychologen sind oft spezialisiert auf bestimmte Störungsbilder (Angst, Depression, Trauma, Essstörungen) oder Altersgruppen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene).
«Psychotherapeut» ist ein Sammelbegriff. In der Schweiz ist die Berufsbezeichnung seit 2013 gesetzlich geschützt (Psychologieberufegesetz, PsyG). Psychotherapeuten können unterschiedliche Grundausbildungen haben, etwa Psychologie, Medizin, Soziale Arbeit oder Theologie, und anschliessend eine psychotherapeutische Weiterbildung absolviert haben.
Wichtig: Nur Psychotherapeuten mit anerkanntem Weiterbildungstitel (eidgenössisch anerkannt oder von einem Fachverband wie FSP oder ASP zertifiziert) können über die Grundversicherung abrechnen.
Die Suche nach einem Therapieplatz kann mühsam sein. Wartezeiten von mehreren Wochen bis Monaten sind leider keine Seltenheit. Hier einige konkrete Anlaufstellen:
Ihr Hausarzt kennt Ihre medizinische Vorgeschichte und kann abklären, ob körperliche Ursachen ausgeschlossen werden müssen. Er kann Ihnen Therapeuten empfehlen, eine ärztliche Anordnung ausstellen (siehe nächster Artikel zur Kostenübernahme) oder Sie direkt an einen Psychiater überweisen.
Kantonale psychosoziale Beratungsstellen können bei der Vermittlung helfen. Auch universitäre psychiatrische Ambulatorien bieten Abklärungen an und können geeignete Therapeuten empfehlen.
Manchmal ist eine persönliche Empfehlung hilfreich. Allerdings: Was für eine Person passt, muss nicht zwingend für Sie passen. Die «Chemie» zwischen Therapeut und Patient ist entscheidend.
Kontaktieren Sie mehrere Praxen gleichzeitig. Viele Therapeuten führen Wartelisten. Fragen Sie, ob Sie auf eine solche Liste gesetzt werden können, und ob es eine Möglichkeit gibt, früher einen Termin zu bekommen (etwa bei Absagen). Manche Praxen bieten auch Kriseninterventionen an, die schneller verfügbar sind als reguläre Therapieplätze.
Achten Sie darauf, dass der Therapeut über einen anerkannten Weiterbildungstitel verfügt (FSP, ASP, eidgenössisch anerkannt). Nur dann ist die Kostenübernahme durch die Grundversicherung gewährleistet. Fragen Sie im Zweifelsfall nach, ob die Leistungen über die Grundversicherung abgerechnet werden können.
Es gibt verschiedene Therapieschulen: Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Verfahren, systemische Therapie, Gesprächspsychotherapie und viele mehr. Die meisten Therapeuten arbeiten heute «integrativ», kombinieren also Elemente verschiedener Schulen.
Für bestimmte Störungsbilder gibt es evidenzbasierte Empfehlungen (etwa kognitive Verhaltenstherapie bei Angststörungen oder Zwängen). Fragen Sie den Therapeuten, welchen Ansatz er verfolgt und warum dieser für Ihre Situation geeignet ist.
Viele Therapeuten haben Schwerpunkte: Trauma, Sucht, Essstörungen, ADHS, Paartherapie, etc. Wenn Sie eine spezifische Problematik haben, kann es sinnvoll sein, jemanden mit entsprechender Spezialisierung zu suchen.
Das Erstgespräch dient dem gegenseitigen Kennenlernen. Der Therapeut wird Fragen zu Ihrer aktuellen Situation stellen, zur Vorgeschichte, zu früheren Behandlungen und zu Ihren Erwartungen. Sie haben aber auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen: Wie arbeitet der Therapeut? Wie lange dauert eine Therapie voraussichtlich? Was passiert, wenn es nicht passt?
Die ersten Sitzungen sind ein Probelauf. Es ist völlig legitim, nach 2–3 Terminen zu sagen: «Das passt nicht für mich.» Eine gute therapeutische Beziehung ist einer der wichtigsten Faktoren für den Therapieerfolg. Wenn Sie sich unwohl fühlen, nicht ernst genommen oder nicht verstanden fühlen, suchen Sie weiter.
Ein Therapeutenwechsel ist kein Scheitern. Manchmal entwickelt sich die therapeutische Beziehung nicht wie erhofft, oder Sie merken nach einigen Wochen, dass die Methode nicht zu Ihnen passt. Anzeichen, dass ein Wechsel sinnvoll sein könnte:
Sprechen Sie im Idealfall offen mit Ihrem Therapeuten darüber. Manchmal lassen sich Missverständnisse klären. Wenn nicht, ist ein Wechsel der richtige Schritt. Die meisten Therapeuten verstehen das und unterstützen Sie dabei.
Wenn Sie auf einen Therapieplatz warten, können folgende Angebote helfen:
Die Therapeutensuche kann frustrierend sein. Wartezeiten, Absagen, administrative Hürden: All das kostet Energie, die man in einer Krise oft nicht hat. Trotzdem: Die richtige therapeutische Unterstützung kann lebensverändernd sein. Es lohnt sich, dranzubleiben, mehrere Personen zu kontaktieren und im Zweifelsfall auch zu wechseln, bis Sie jemanden finden, bei dem Sie sich verstanden fühlen.
Eine Therapie ist keine Einbahnstrasse. Sie dürfen Erwartungen haben, Fragen stellen und den Prozess aktiv mitgestalten. Und denken Sie daran: Hilfe zu suchen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Selbstfürsorge.